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Es herbstelt

I

“Es fehlt in Österreich selten an geistigen Kräften, öfters an dem Willen, von ihnen Gebrauch zu machen.” (Hugo von Hofmannsthal, 1916)

Kürzer wird der Tag. Er hat die Augen ganz fest zugemacht. Damit man ihn ja nicht mehr sieht. Ihn träumt, ein Midas zu sein. Goldene Blätter auf den Bäumen zu vermehren. Vieles bleibt. Beim Alten. Die Oper schweigt steif und eitel herüber. Und das, was nicht mehr nützt, bleibt nicht. Es herbstelt. Ich bin von gestern. Heute eine Ressource. Auch der Tag sieht niemanden mehr. Er hört beten. Mammon heißt der Baal. Denk nicht! Nach! Modern Times. Fettige Griffel dirigieren permanent verkehrte Äste. Tanze! Auch! Herum! Für seine launische Gnade. Nach seinem Gefallen wird er dich lassen, kraftlos verderbt, in seinem Verachten. In dich hineinfahren. Fracking! Noch ein Pumperer. Dann ist es ihm wert. Das goldene Herz. Traumlos. Tanze! Auch! Herum! Es staubt. Und kratzt. Es herbstelt. Durch die schöne Allee. Ich verliere eine Hand. Zungen zerlecken, zerpusten die falschen Tänzer. Geheiligte Einheit. Verrücktes bibbert brauchlos. Länger wird die Nacht. Unsichtbare Nichtigkeit. Langweiliges Ich. Fiebrig verenden die Dus. Vernähen die Lider. Denn er führt. Der Gute hebt meine Hand, um mich zu berühren. “Ewig mein und gut wird’s dir. Alles kann ich dir geben. Alles. Ein Versprechen. Für deinen Geist.” Ausatmen bis zur Leere. Die Luft anhalten. Bis der Traum kommt. Der gnädigste Erlöser. “Du passt mir, Bruder.” Enorm. Ich bin ich und nicht alle. Einatmen. Tag wird es spät im Herbst.

II

“Tod ist unser Zeichen und Losungswort.” (Hugo Ball, Totentanz 1916)

Dünner Lippen dünne Töne fügen sich der Mode. Einszwodreivier. Der Himmel mag nicht aufgehen. Wollschafgrau. Designiert. Ein Schal von Eigenrot. Komm, tanz mit mir! Einsvierdreizwomal. Wenn er’s denn gut meint. Umwinden wir fädrige Rinnsale. Entkleidete Knöchel lähmen. Wie sie locken. Schnurstracks. Fort. Hinein. Ins Gleiche. Zweidrovierund. Warm und Kalt löst sich wie eins. Weich und nie zurück. Noch ein Zwo und noch und noch ein Vier durchhallt das hohle Bein. Gestern ein Lachen. Komm, tanz mit mir! Ein Fest. Wir schaffen. Wir grausen. Entkennt. Sauerscharf tropft es heraus, aus meinem Leck. Gestern mochte ich nicht deinen Tisch decken. Heute zieren ihn Kerzen. Die Nacht sucht ihre Augen. Der Himmel mag nicht aufgehen. Schafswolfgrau. Resigniert. Ein Schlal von Eigenrot. Er steht mir. Komm, tanz mit mir! Einsundvierund um die großen Teller. Du stiehlst meinen Hunger. Ein Kreuz ist’s. Fleisch ist Fleisch. Die Teller voll. Du schmeißt. Es kracht dein Stampf. Kein Bild habe ich mehr. Du führst gut Einsundzweiund in die Kante. Dünner Lippen dünne Töne durchpfeifen meine Höhle. Was ich war tröpfelt auf den Schal von Eigenrot. So schlatzig. Es schmeckt vertraut. Entmündigtes Gewisssein.  Komm, tanz mit mir! Einszwodreivier. Unsere Losung. Die geheime. Die Tischdecke brennt. Ich spitze meine Lippen und tanze voran. Eins. Zwei. Drei. Vier. Das Wachs tropft aus meinem Loch. Der Himmel mag nicht aufgehen. Frischt seine gefallenen Kinder ein. Vier grausige Töne pfeifen. Und fügen sich der Mode. Schnurstracks. Fort. Hinein. Ins Gleiche. Ich kenne dich. Und ich mag dich nicht kennen. Schlussaus. 

III 

“Erst birst ein Jahr und fährt in die Ewigkeit.”   (Erich Mühsam, Ode zum Jahreswechsel 1916/1917)

Wisch Weg. Du hast die Blumen kaputt gemacht. Vom Henkel. Dreimal täglich gekost. Vom Fingerzittern. Gestern. Ich wollte wissen Oma friert. Rauh. Scharf. Mitten durch die Blüten. Pflatscht der Würfelzucker. Es gab ja sonst nichts. Zwei sind besser. Jetzt. Besser wirst du’s nicht mehr haben. Der Löffel mit dem Rosenende tönt gemein. Kurz. Den Rest schluckt der Finger. Durchfurchte Wursthaut. Die ehrlich war. Und klug. Sie blies nicht. Die Blätter waren heiß. Noch immer. Ich schnitt mich. Hinein. Frierst du Oma? Schwirrte. Wie war es? Auch die Wange brennt. Schallte. In die Zukunft. Sie brachte, was ist. Der Finger naschte Marmorkuchenbrösel. Wie er in die Brust fuhr. Tote Herzen sind so weich. Vater unser. Wie Erdbeeren schaut es aus. Schmecken tut’s wie Blut. Schau. Bunte Pflaster gibt’s. Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Es schaut nach Schnee aus. Flocken aus dem Märchenbuch. Ihr Hauch klebt sich an die Scheiben. Wie Hunger. Frierst du? Oma fragte. Den Finger durch das Henkelloch. Es schwappte über. Zwei, drei breite schwarze Bahnen. Nur eilig herab ins Filzrot gesaugt. Ich schaue nach. Meinen Tränen. Der Finger zitterte ein Kreuz. Ein Amen. Ein Lass mir meinen Frieden. Hörst du? Ich lutschte meinen Finger ab. Scherben klingen nicht. Wirklich. Nur kurz. Sind dann weg. Unter dem Deckel. Alles ist sauber. Hast du dir wehgetan? Ich schaute auf. Betreten. Ich schüttelte den Kopf. Oma gab es nie. Die Flocken schauen. Elendes Nachtgewand. Draußen kracht und schießt es. Das alte Jahr ist tot. Glaubten sie.

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