Der junge, besonnene Wiener Sprachkünstler Robin Reithmayr alias “Mriri” im Gespräch über sein Schaffen, Poetry Slam und das vielseitige Phänomen “Sprache”.
Woher kommt Dein Bedürfnis zum Schreiben? Robin Reithmayr: „Das Bedürfnis, das ich am Anfang gehabt habe, das war einfach etwas sehr Therapeutisches. Ich habe angefangen im Herzschmerz zu schreiben. Ich schreibe natürlich auch wegen der Anerkennung. Ich glaube, dass kein Mensch, der irgendetwas mit Kunst macht, sagen kann, dass er nicht geil darauf wäre, Anerkennung zu kriegen. Nach wie vor ist es Therapie. Je schlechter es mir geht, desto mehr schreibe ich. Natürlich auch, weil es Spaß macht.“
Welchen Anspruch legst Du an Deine eigenen Texte? Robin Reithmayr: „Mein Anspruch ist es, etwas zu schreiben, das noch nicht jemand geschrieben hat. Das bezieht sich sowohl auf das Inhaltliche als auch auf das Formale. Das Schwierigste ist es, einen guten Inhalt zu finden, der nicht voller Pathos ist.“
Was ist dieses „Pathos“? Robin Reithmayr: „In diesem Kontext meine ich mit Pathos das Gefühlsschwangere, wo die Welt und der Schmerz überschwellen. Es kann zwar interessant sein, wenn es schön bearbeitet ist, aber ich mag es nicht, wenn der Text alles dokumentiert und jedes einzelne Gefühl ausspricht. Wenn der Inhalt eine Emotion hervorruft, ist das für mich schon genug. Das Raumgebende, dem Leser nicht alles zu servieren – diese Kunst des Offenlassens und des Weglassens – ist auch eine gewisse Form von Intelligenz, finde ich. Auch in dem Sinne, dass du dem Leser zutraust, dass er das versteht, dass er es ergänzen und irgend etwas damit machen kann. Wenn du alles am Silbertablett servierst, implizierst du ja, dass der Leser blöd ist.“
Was schreibst Du? Robin Reithmayr: „Mein Fokus liegt auf der kleinen literarischen Form: Ich schreibe gerne Witze, Wortspiele, aber auch sehr gerne Gedichte. Ich schreibe einfach was ich will. Es entsteht auch sehr viel unterwegs. Ich habe meinen Block immer dabei, da kritzel ich immer herum. Manchmal schreibe ich Texte, wo ich nicht kontinuierlich daraus etwas machen kann, weil die Gedanken so komplex sind. Es sind immer wieder Texte am Entstehen, manchmal veränderst du sie. Manchmal erlebe ich Lustiges dank meines Faibles fürs handschriftliche Notieren: Ich denke an den Verkäufer beim Dönerstand, der mich extra nett behandelt, im Glauben ich wäre irgend ein Hygieneinspektor, weil er mich etwas Notieren sieht.“
Worin liegt die Verantwortung eines Autors? Robin Reithmayr: „Verantwortung ist ein sehr abstrakter Begriff. Ich persönlich glaube nicht an Verantwortung. Ich glaube, niemand hat eine Verantwortung für irgendetwas. Von daher sehe ich auch keine Verantwortung beim Autor. Wenn überhaupt fühle ich mich dafür verantwortlich, so zu schreiben, dass es die Leute auch verstehen. Schließlich schreibe ich, um etwas zu erzählen.“
Worin liegt die Chance und die Kraft der Lyrik? Robin Reithmayr: „Was die Lyrik kann ist, in der Knappheit der Sprache etwas zu sagen, was gar nicht weiter argumentiert werden muss. Eine Geschichte muss aufbauen. Es ist vielleicht so wie wenn man ein Fünf-Gänge-Menü mit einer dekorierten Praline vergleicht, wo jedes Detail stimt. Beim Fünf-Gänge-Menü kannst du dich reinschlemmern, du kannst dich da voll austoben. Das Gedicht ist eine Praline, die dir schmeckt oder nicht. Es ist sehr knapp, sehr konzentriert und von daher schwerer zugänglich. Das Gedicht ist etwas sehr Persönliches. Oft fällt es schwer als Aussenstehender die Intensität des darin konstruierten Moments zu erfassen.“
Was ist Poetry Slam? Robin Reithmayr: „Eine Dichterschlacht oder so ähnlich. Beim Poetry Slam treten mehrere Leute, meistens zehn, gegeneinander an, die jeweils fünf Minuten Zeit haben, Selbstgeschriebenes zu performen. Das Publikum entscheidet, wer ins Finale kommt. Dann haben die Finalisten noch einmal die Chance etwas darzubieten und das Publikum entscheidet dann auch, wer gewonnen hat. Es ist eine sehr gute Atmosphäre, um Dinge zu lernen. Es ist sehr spielerisch. Anders wie auf Theaterbühnen erwarten die Leute auch nicht, dass du es perfekt machst. Es sind ganz normale Leute, die etwas machen und keine Burgschauspieler. Es geht um leicht verständliche Sachen. Es ist schon ein bisschen verpönt in der normalen Literaturszene, da das Format auf die breite Masse ausgelegt ist. Vielleicht steckt dahinter auch ein gewisser Neid diesbezüglich.“
Worin liegt die Musikalität eines Poetry-Slams? Robin Reithmayr: „Rap und Poetry Slam sind verwandt. Du darfst auch auf einer Poetry-Slam-Bühne rappen. Singen ist nur teilweise erlaubt. Es hat auch etwas von Standup-Comedy. Es geht im Sprachspiel auch um die Freude am Experiment.“
Wie ist es um die Poetry-Slam-Szene in Österreich bestellt? Robin Reithmayr: „In Wien gibt es mittlerweile massenhaft Slams. Nicht alle sind öffentlich zugänglich. Als Anfänger hast du sicher mindestens 3mal im Monat die Möglichkeit aufzutreten.“
Wie wichtig ist Sprache in unserer Gesellschaft? Robin Reithmayr: „Davon abgesehen, dass wir damit kommunizieren, glaube ich, dass Sprache sehr viel mehr macht, als wir wahrnehmen können. Sprache ist ja auch oftmals sehr doppeldeutig. Durch diese Doppeldeutigkeit wird sehr viel mehr transportiert, was wir oft gar nicht bewusst wahrnehmen. Sprache schafft Realität. Beobachten wir ein altes Ehepaar. Es hat gerade den Bus verpasst. Sie: Ja, hättest du nicht so lang getrödelt. Da schafft sie die Realität: Ja du hast getrödelt und deswegen hab ich den Bus verpasst. Dann sagt er: Von wegen. Wenn du früher gefrühstückt hättest, hätten wir es auch geschafft. Dann schafft er diese Realität. Beim Poetry Slam kommt das insofern noch mehr zur Geltung, weil du einfach in den fünf Minuten deine Realität schaffst und die Leute versuchst in dieser Zeit da reinzuziehen.“
Was würdest Du Dir vom Umgang mit Sprache wünschen? Robin Reithmayr: „Mich würde es freuen, wenn die Leute mehr mit Sprache spielen – weil es so viele Möglichkeiten gibt, damit etwas zu machen. Sprache besteht aus von uns gemachten Geräuschen. Wörter können doppeldeutig sein oder ähnlich klingen. Da würde ich mir wünschen, dass die Leute mehr darauf achten und Sprache nicht nur gebrauchen, um Information zu transportieren, sondern auch auf diese Metaebene einsteigen. In dem Sinne, was Sprache macht, was Sprache kann. Das würde mich sehr freuen. Aber ich weiß nicht, ob ich mir das erwarten darf.“
Comments