Eine Tirolerin, die in Wien lebt. Die sympathische, offenherzige Schauspielerin Tanja Ghetta hat für sich die Freude am Kabarett entdeckt und setzt die Pointenschwünge zwischen den Torstangen mit Dynamik und Spritzigkeit.
Das Kabarett Irgendwann, früh im Jahr, durchflutete das ebenfalls noch junge Programm von ORF III – der vielerorts gepriesenen und mehr als dankbar angenommenen Kulturbereicherung des österreichischen Fernsehens – mein im frischen Atem des neuen Jahres noch etwas kühle Wiener Zimmer. „Griasdi“der herzliche Gruß zu Beginn der Ausstrahlung im Rahmen der Hyundai-Kabarett-Tage. Eine Tirolerin im Skianzug mitten in Wien, im Schlepptau die zwei Bretteln, die im Westen des Landes die Welt bedeuten. Doch der Schein trügt. Ihre pränatale Überzeugung, das Zeug zum großen Skistar zu haben wird von der tragischen Erkenntnis zunichte gemacht, dass sie so schlecht ist, dass sie aus Tirol auswandern muss. „Aufgewachsen in der robusten Tiroler Bergwelt“, findet sie Exil in Wien. Als „Ausländerin im eigenen Land“ macht sie sich auf Tirolerisch und ambitioniert auf die Suche nach der Wiener Bergwelt: Kahlenberg, Grünenberg, Spittelberg. Was in einem schweren Kulturschock endet, den Tanja Ghetta pointiert unterstreicht: „Wer schon einmal in Innsbruck war und das G’fühl kennt, wenn man bei der Tür hinausgeht und von den Bergen richtig erschlagen wird – hier (Anm.: in Wien) ist es ist dieses G’fühl, nur umgekehrt.“ Ihr Programm ist die Auseinandersetzung zwischen Klischee und Vorurteil und der gnadenlosen Konfrontation des Provinziellen, das für Ghetta einen ganz besonderen „Charme“ hat, mit dem Großstädtischen. Und insbesondere räumt sie mit dem gravierenden Irrglauben auf, dass jeder Tiroler mit Schiern auf die Welt kommt. Tatsächlich ist Tanja Ghetta zum Snowboard gewechselt.
Der Weg zum Kabarett Was auf der Bühne so einfach und spielerisch aussieht, hat keinen einfachen Nährboden, verrät mir die herzliche Schauspielerin, beim persönlichen Plausch in einem Wiener Innenstadtcafe: „Ich war am Theater immer in der freien Szene und das war nicht immer leicht. Dann habe ich mir gedacht, ich möchte ein eigenes Projekt haben, was ich selber immer an kleine Bühnen verkaufen kann, wo ich immer etwas zu tun habe.“ Nach einem nicht zufriedenstellenden Versuch ein erstes Skript schreiben zu lassen, hat sie selbst das Heft in die Hand genommen: „Meine Regisseurin hat mich auch gleich darin bestärkt und so ist dann 2008 mein erstes Kabarett-Programm Schleudertrauma entstanden.“ Darin hat sie, den morbiden Hauch Wiens treffend, eine Bestatterin gespielt. „Und so habe ich eine Sarg-Party veranstaltet.“ Vom Theater kommend – hat sie doch neben dem gewonnenen Minidramenpreis des Wiener Kabinetttheaters (2012) u.a. in Shakespearstücken, in Caldérons Welttheater sowie in Fernsehproduktionen (etwa Felix Mitterers „Verkaufte Heimat“ oder „Der Bergdoktor“) mitgewirkt – ist sie damit „total blauäugig ins kalte Wasser gesprungen“. „Mich hat auch nicht interessiert, was die anderen machen, sondern ich habe einfach gemacht“, erzählt Ghetta, die damit Lunte auf der Kleinbühne gerochen hat. Dabei ist es nicht einfach, sich auf diesem Terrain in Wien zu behaupten: „Schwer ist es. Man muss halt dranbleiben. Meistens ist es so, dass es keine Frauen im Kabarett gibt. Aber das ist kein Vorteil. Es macht es nicht leichter, auch vor dem Vorurteil: Sind Frauen wirklich komisch?“ Außerdem scheiden sich die Geister bei der Frage: Wie viel Theater braucht das Kabarett? „Es gibt rein von der Veranstaltersicht her welche, die es nicht mögen, wenn ein Kabarettist vom Schauspiel kommt“, bedauert Ghetta. „Es gibt Bühnen, da spiele ich prinzipiell nicht, weil die Meinung diese Meinung vorherrscht.“ Ein sehr österreichisches Phänomen. Dass Ghetta dann in Wien gelandet ist, war eine Notwendigkeit: „In Innsbruck ist man bald einmal durch, wenn man nicht am Landestheater hängen bleibt, muss man hinaus.“ Hinaus auch um Botschaften zu vermitteln, wie die vom „Einfädeln“: „Ich wollte für den Titel des Programms einen typischen Skibegriff haben, der auch für das restliche Leben passt. Mal fädelt man Geschichten ganz gut, mal ganz blöd ein. Und in dieser Doppeldeutigkeit steckt auch die Botschaft: Man darf im Leben hie und da einfädeln. Wichtig ist nur, dass man dann zurückbrettelt und das Ziel nie aus den Augen verliert.“ Was bleibt dann noch zu fragen als: Ob es viel Selbstüberwindung kostet, sich selbst auf der Bühne zum Besten zu halten? Ohne zu zögern die Antwort: „Wenn man als Auswärtiger in Wien ist, findet das jeder nett, woher man ist. Tirol ist ja durchaus beliebt in Wien. Wenn ein Wiener darüber Witze macht, finde ich das nicht so lustig, aber wenn man sich selber – quasi auf eigene Kosten lächerlich macht, dann funktioniert’s. Dann kann man auch über dieses Kleinkarierte einen Witz machen und das nimmt einem niemand übel.“ Zugegeben habe ich in letzter Zeit selten ein Kabarett-Programm wie „Eingefädelt“ gesehen, das mich mit seiner direkten und subtilen Art aufs köstlichste unterhalten und aufs herzlichste amüsiert hat.
[Klaus Oberrauner, KulturToDate, April 2016]
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