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Filmnotiz: Zeichnen gegen das Vergessen (2015)

Die stummen Riesen schauen von der Wand. Viele Köpfe kahl geschoren. Uniform. Wie die schwarzen Längsstreifen auf den Hemden der Todgeweihten. Nicht wir schauen sie. Sie schauen uns. Glanzlos, unverkleidet und leer übermannt der Blick in das blanke Entsetzen. Kinderaugen vor dem Objektiv des KZ-Fotografen. Mit einem an der Spitze verkohlten Birkenstämmchen überträgt der Kärntner Künstler Manfred Bockelmann, Bruder von Udo Jürgens, die Überdimension aufrichtig schmerzerfüllter Sprachlosigkeit auf grobe Juteleinwand. Die Porträts verlorener Kindheiten. In Mauthausen. In Auschwitz-Birkenau. In Theresienstadt. Jetzt kann man es nicht mehr hinunterschlucken. Es ist auch für Bockelmann ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Vor Ort überkommen ihn die Tränen und die tiefste Scham. Er sucht in den Gedärmen der lange verleugnend verdrängten Monstrums nach den manchmal auch sehr kleinen, unsortierten Gesichtern, damit sie nicht nur eine abstrakte Zahl in der Statistik der grausamen Geschichte bleiben. Dieses Zeichenprojekt wird auch in der mehrfach ausgezeichneten Filmdokumentation Zeichnen gegen das Vergessen Thema, in der sich der Künstler mit manchen Zeitgenossen und Verwandten der Opfer in Verbindung setzt, um seinerseits mehr über die Erinnerungen zu erfahren und Ihnen verloren geglaubte Gesichter wieder zu bringen, an die sie sich teilweise nicht mehr erinnern können. Eine sehr berührende und aufwühlende Reise – auch ins eigene Gewissen. Kategorie: Mehr als nur sehenswert! Und es hat mich an einen bemerkenswerten Spruch an der Klagemauer des KZ Mauthausen erinnert: “Vergiss uns nicht, die wir hier getötet wurden, denn das Vergessen des Bösen ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung.”

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