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“Sisi war eine frappierend zwiespältige Persönlichkeit.”

Sisi. Eine majestätische Figur. Eine Märchengestalt. Ein Tourismusmagnet. In Wahrheit eine der zwiespältigsten, tragischsten und geheimnisvollsten Frauen des österreichischen Kaiserhauses. In ihrem historischen Roman Das fliehende Herz – Sisis Schicksalstage in Tirol und im KULTURTODATE-INTERVIEW geht Jeannine Meighörner der “österreichischen Kaiserin der Herzen” auf die Spur.

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Portrait Jeannine Meighörner (Quelle: © Haymon Verlag)


Über ihre Faszination an der Figur “Sisi”.

Meighörner: “Sisi war eine frappierend zwiespältige Persönlichkeit. Nicht einfach im Handling – aber sexy. In ihrem Wesen kristallisierte sich das Freiheitsbestreben der Frau des 20. Jahrhunderts heraus. Das macht sie für mich als Historikern und Romanautorin doppelt interessant. Auch da ich gerne über starke Frauen schreibe, die sich nicht in altväterliche Rollenvorgaben fügten.”

Was “Sisi” im Positiven sowie weniger Positiven auszeichnet. 

Meighörner: “Sisi probierte sich aus. Sie dichtete, betrieb als Reiterin Hochleistungssport, schuf ihren ureigenen Stil und Modetrend. Sie betrieb alles mit großer Energie – aber auch mit großem Egoismus. Ja, Narzissmus,  der für ihre Familien und ihr Personal mitunter sehr schmerzhaft war.”

Warum “Sisi” an Innsbruck nicht recht Gefallen finden konnte.

Meighörner: “Sisi war von Geburt ein Berg- und Naturkind. Als sie als 11jährige den ganzen Revolutionssommer 1848 in Tirol verbringt, ist sie sehr glücklich. Als sie als Kaiserin 1870 erstmals wieder nach Innsbruck kommt, ist sie im Wesen völlig verändert. Sie befindet sich nun innerlich auf der Flucht. Auf der Flucht aus ihrer Ehe – nicht umsonst lässt sie sofort das bereitgestellte Ehebett aus der Innsbrucker Hofburg entfernen – und sie will aus ihrer Rolle als Kaiserin ausbrechen. Die kindliche Verehrung und Anhänglichkeit der Tiroler nerven sie. Salopp formuliert. Auch schmerzte sie vermutlich der Gedanke, wie glücklich sie als Naturkind in Tirol war.”

Warum Erzherzog Karl Ludwig, der Bruder Kaiser Franz Josephs I., vielleicht die bessere Partie für “Sisi” gewesen wäre.

Meighörner: “Vermutlich wäre Karl Ludwig, der 1848 ja um das erfrischende Naturkind warb, die bessere Wahl gewesen. Kompatibler zu ihrem Freiheitsdrang. Er hätte ihr die ungeliebte Rolle als Kaiserin erspart.”

Warum Innsbruck aus “Sisis” Biographie nicht wegzudenken ist.

Meighörner: “Aus Sisis vier Besuchen in Tirol kristallisiert sich ihr ganzes Leben heraus. Als rotzfreches bayrisches Landkind, als Kaiserin, Ehefrau und Mutter, die mit diesen Rollen hadert. Und dann als schöne Leich. Als die Innsbrucker 1898 den Leichenzug – aus Genf kommend – anhalten, um der Ermordeten, die die Tiroler als Kaiserin auf Distanz hielt, wiederum ihre kindliche Liebe zu beweisen. Das ist makaber – aber auch herrlich skurril. Großer Romanstoff!!”

“Sisi” und die Innsbrucker Hofburg.

Meighörner: “Die Innsbrucker Hofburg wurde zur Hälfte für Sisi umgebaut! Der so genannte Sisi-Trakt wurde auch nach ihren Vorgaben gestaltet. In die Wege geleitet übrigens von besagtem Karl Ludwig. Ein Liebesbeweis – irgendwie. Mein Lieblingsort darin ist Sisis blauer Schreibsalon als Dame des Lettres in der Nachfolge eines Heinrich Heine. Ein Hohn ist jedoch, dass sie sich nur noch so wenig in Innsbruck aufhielt. Immer innerlich auf der Flucht. Nicht umsonst trägt mein Roman den Titel: Das fliehende Herz.”

“Sisi” und der Zeitgeist. 

Meighörner: “Modern, freiheitsliebend, von moderner Technik begeistert. Im Gegensatz zu ihrem altertümlichen Franz Josef. Sie ist aber auch da widersprüchlich. So kokettiert sie in ihrer Lyrik damit , den Adel abzuschaffen. Ihre teure Reisemanie finanzierte aber der österreichische Steuerzahler. Auch hat sie politisch nichts für die Rechte der modernen Frauen getan. Zum Beispiel ein Wahlrecht einzufordern oder den Zugang für Frauen an Universitäten. Das ist enttäuschend in einer Zeit, wo mutige Frauen für genau dieses kämpften. Aber Suffragetten verlachte Sisi in ihrer Hybris.”

Über “Sisis” kontroverses Verhalten.

Meighörner: “Mitunter wirkt Sisis Verhalten manisch-depressiv, launisch und zwanghaft. Eine Nervensäge mit Hang zum Nazissmus. Dann hatte sie herzliche Phasen und konnte sehr charmant sein. Und brüllend witzig. Sie hatte einen trockenen englischen Humor. Sie sprach ja auch gut englisch.”

Über “Sisis” kindlichen Trotzkopf. 

Meighörner: “Sie war auf die Rolle als Kaiserin eigentlich nie richtig vorbereitet worden. Entstammte ja keinem regierenden Haus. Zudem war sie erblich belastet, was die Sisi-Forschung oft zu wenig beachtet. Ihr Vater, Max in Bayern, galt ja als das schwarze Schaf der Wittelsbacher. Er trat sogar als Zirkusreiter auf! Und auf Märkten als Musiker, wozu er die junge Sisi tanzen und das Geld einsammeln ließ, als sei sie ein Zigeunerkind. Zudem reiste er gerne, war unkonventionell und hielt wenig von der Ehe, obwohl er verheiratet war. Sisi vergötterte diesen wilden Tausendsassa. Sie war ein Vaterkind und sein Liebling.”

Über die Botschaft ihres Buches.

Meighörner: “In Tirol zeigt sich Sisis Wesen in frappierender Vielseitigkeit. Positiv wie negativ. Sisi in Tirol ist eine andere Sisi, wie man sie aus Wien kennt. Oder aus Korfu. Fast so wild und enthemmt wie diese wilde Tiroler Bergwelt. Zudem ein bisher fast weißer Fleck auf der Landkarte der Wien-lastigen Sisi-Forschung. Ich war bei meinen Recherchen selbst erstaunt!”

Über die Crux der “Sissi”-Filme.

Meighörner: “Romy Schneider als Sissi hat mit der wirklichen Sisi wenig gemein. Außer dass beide Schönheiten waren. Körperlich.”

Was den Mythos und das Geheimnis “Sisi” nährt. 

Meighörner: “Die Brüche im Wesen und Leben dieser Frau machen sie spannend. Und Sisi hatte ein modernes Verständnis vom Self-Marketing. Sie war als Markenbotschafterin ihrer selbst ihrer Zeit weit voraus. Ein Beauty-Queen und Influenzerin, die ihren eigenen Mythos schuf. Auch durch die Weigerung, sich als älter werdende Frau darstellen zu lassen. Als ewig Dünne. Aber gesund war das nicht. Aber Mythen scheuen meist das Tageslicht.

Die überraschendste Erkenntnis während ihrer Arbeit am Buch. 

Meighörner: “Sisi war in Tirol enthemmter, als man sie von anderen Schauplätzen und Lebensstationen kennt. Meine Sisi in Tirol bringt da eine neue Facette ein. Das hat mich selbst ja verblüfft. Aber es hat auch viel Spaß gemacht ihre Tyrol-Story aufzuschreiben.”

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